Johannes Prassek

Märtyrer aus Sankt Sophien (1911-1943)

„Es geht alles vorbei, und dann kommt nur noch Gott
und das ist unendlich schön.“

 

1943 wurden drei Priester der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck, Eduard Müller, Hermann Lange und Johannes Prassek, zum Tode verurteilt und zusammen mit Pastor Karl-Friedrich Stellbrink in Hamburg hingerichtet. Da Eduard Müller und Johannes Prassek keine Angehörigen mehr hatten, wurden ihre Körper verbrannt und ihre Asche in alle Winde zerstreut. Sie sind im Namenlosen untergegangen.
Kaplan Johannes Prassek wurde am 13. August 1911 hier in Hamburg-Barmbek geboren. Er war ein Arbeiterkind. Seine Familie wohnte im Gerstenkamp. Sein Vater war Maurer und kam aus Oberschlesien. Seine fromme Mutter (Konvertitin) stammte aus Mecklenburg.
In Sankt Sophien erhielt er die hl. Taufe und hl. Erstkommunion und hier besuchte er auch die Grundschule (sein Abitur absolvierte er auf der „Gelehrtenschule“ des Johanneums). Den Grauen Schwestern an der Schule blieb er sein Leben lang herzlich verbunden. Sie prägten ihn in seiner religiösen Entwicklung.
Dankbar erinnerte er sich noch nach Jahren an sie in seinem Testament. Wie seine beiden katholischen Mitbrüder ist auch Johannes Prassek in der Jugendbewegung und der liturgischen Erneuerung groß geworden. Er trat durch seinen Humor und seine Eigenständigkeit im Denken hervor. Durch allzu freie Meinungsäußerung vermochte er manchmal engere Naturen zu schockieren.
Sein Werdegang zum Priester war ein dornenreicher Weg durch Entbehrungen und Nöte. Zwei seiner Studienjahre in Frankfurt an der philosophisch-theologischen Hochschule der Jesuiten in St. Georgen erlebte er aber als „Hoch-Zeit“: „Wir dachten so gern große Gedanken. Und unter diesen Gedanken wurde auch das Kleinste und Beißendste in unserem Leben schön.“

 

Am Tage seiner Priesterweihe, am 13. März 1937 rief er aus: „Ich hin der glücklichste Mensch!“, nachher im vertrauten Gespräch: „Ich glaube, ich werde noch einmal viel leiden müssen.“
Der erste Begeisterungsrausch wich der festen Gewißheit um die Verantwortung seines Amtes. Im Geiste stellte er sich auf einen schmerzlichen Weg ein und brachte eine durchaus nicht alltägliche Auffassung vom Geistlichen zum Ausdruck. Nach dem hl. Paulus forderte er von sich „Allen alles“ zu sein. „Glückliche Natur“ war nur eine Ansicht seines Wesens. Auf dein Hintergrund seiner ernsten, wissenden und illusionslosen Auffassung vom Dasein gewann Prasseks Erscheinungsbild seine Tiefe und Überzeugungskraft.
Als er 1939 als erster Kaplan an die Herz-Jesu-Kirche zu Lübeck kam, spürten die Menschen sein großes Herz für Gott und den Menschen. Getrieben von einer starken seelsorglichen Passion, stand er gern allen und sofort zur Verfügung, war beweglich und anpassungsfähig und traf im Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen stets den richtigen Ton.
Unter Gefährdung seines Lebens kümmerte er sich seelsorglich um polnische Zwangsarbeiter (er hatte hierfür eigens Polnisch gelernt). Er hatte erstaunlich viel Verständnis und beinahe für alles einen Trost. In seiner Beziehung zu Gott war er zu unbedingter Hingabe bereit, zur Treue um jeden Preis:
Priester wenigstens müssen den Mut haben, die Wahrheit zu sagen. Sonst glauben die Leute, das alles wäre in Ordnung. Was können sie mir schon tun?“
An Palmsonntag 1942 ging ein großer Bombenangriff auf Lübeck nieder und legte die Stadt in Trümmer. Prassek rette, wo er konnte, trug Wöchnerinnen und Babys aus dem Krankenhaus durch das Flammenmeer in den Bunker. Er erhielt für seine mutigen Taten einen Orden. Zwei Wochen später wurde der öffentlich Belobigte wegen seiner „Volksfeindlichkeit“ verhaftet.
Die „Volksfeindlichkeit“ der Geistlichen bestand im Hören und Weitergeben ausländischer Radionachrichten und in der Verbreitung kritischer Schriften, vor allem der Predigten und Hirtenbriefe des „Löwen von Münster“, Bischof Clemens August Graf v. Galen, die flammende Proteste waren.

 

Der „Ekstatiker“ Prassek bekam auf diese Weise schon früh und zunehmend Kontakt mit einem anderen „Feuerkopf“, dem protestantischen Pastor Karl-Friedrich Stellbrink. Sie tauschten Nachrichten und Schriften aus. Stellbrink wird nun im katholischen Raum immer mitgenannt, denn gemeinsame Gefangenschaft und Tod ließen nichts konfessionell Trennendes mehr zu.
Die peinvollen Verhöre, die gerichtlichen Schikanen im Prozess, die Zelleneinsamkeit und körperliche Verelendung brachte sie alle in tiefste Not. Prasseks Magenleiden wurde durch die seltenen Mahlzeiten immer qualvoller. Die infame Falschmeldung, ihr Bischof hätte sich von ihnen distanziert, stürzte sie in verzweiflungsvolle Unruhe. Erzbischof Dr. Wilhelm Berning reiste nach Berlin, um Gnade zu erwirken. Es war vergebens. Er kam dann zu ihnen in ihre Zellen und nahm jeden weinend in die Arme.
Am 10. November 1943 erschienen sie aufrecht und gefasst, in priesterlicher Zivilkleidung. Im genauen Abstand von drei Minuten wurden sie durch das Fallbeil hingerichtet – hier in Hamburg im Gefängnis Holstenglacis. Gefängnispfarrer Behnen sagte: „Aber einer, so sagten seine Leidensgenossen, hat uns immer wieder mit Mut erfüllt und mit fortgerissen, nämlich unser lieber Mitbruder Prassek.“ In der Krypta der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck gibt es seit 1983 eine Gedenkstätte für sie alle.
Von Johannes Prassek gibt es keine irdischen Spuren mehr. Aber wir haben die Schilderungen seines Lebens und differenzierten Wesens von denen, die ihn kannten, liebten und verehrten. Von ihm persönlich gibt es wunderbare Briefe, besonders jene zwischen ihm und seinem Bischof von tiefstem religiösen Gehalt. Es gibt als Nachlass seine Bibel, die ihn durch die Gefängniszeit begleitete. „Man kann nicht ohne Ergriffenheit all den Bleistiftspuren folgen, die seine Hand an den Rändern und auf den freien Seiten des Buches hinterlassen haben.“
Johannes Prassek ist aus Sankt Sophien hervorgegangen. Hier hat er auch geistig und im Glauben seine ersten Grundlagen empfangen. Wir sollten ihn kennen und verstehen lernen, sein Leben nicht nur Vergangenheit sein lassen. Er war Märtyrer, Blutzeuge gegen Gottlosigkeit, Lügen und menschliche Grausamkeit. Menschen wie er waren in so schweren Zeiten die Hoffnung und haben mit dazubeigetragen, dass das Böse letztendlich doch verloren hat.

Quelle: Else Pelke, „Der Lübecker Christenprozess 1943“, Topos Taschenbuch 1974
Donate Reimer
Ökumenisches Heiligenlexikon: Johannes Prassek
Wikipedia: Johannes Prassek
Johannes Prassek Werk e.V.: Johannes Prassek
Erzbistum Hamburg: Lübecker Märtyrer
Johannes Prassek-Gedenkstätten in Hamburg Barmbek-Süd: Bilder