Monatsbrief: Sankt Sophien im Januar 2015

Liebe Lämmer!
Zu Hause, daheim, hatten wir immer Tiere, vor allem kleine und große Hunde, die mir als Bub mehr oder weniger gehorchten, bis ich später selbst auf den Hund kam, ja Hund wurde, in einem Rudel, um zu gehorchen – mehr oder weniger – ja, so kann‘s gehen.
Und als ich vor einigen Tagen in Sankt Sophien breitbeinig an der Krippe stand, wunderte ich mich, dass außer den Schafen kein Ochse und kein Esel in der Krippe waren. Als Köter hätte ich mich tierisch aufregen können und vor Empörung über das Schweigen der Lämmer vor und neben mir gefährlich geknurrt und am liebsten gleich meine Meinung durch Beinchenheben zum Ausdruck gebracht, und wäre es an Heiligabend gewesen.
Doch neben mir stand einer, der meinte mich aufklären zu müssen: Forscher hätten keine Spuren von einem Ochsen oder Esel an der Krippe in Bethlehem aufspüren können. Der uns vertraute und liebgewordene Ochse und Esel beim neugeborenen Jesuskind lasse sich nicht finden im biblischen Text der Weihnachtsgeschichte.
So passend die Anwesenheit der friedlichen Tiere beim Kommen des Friedensfürsten als Kind sei, das Krippen-Bild entstamme der Deutung eines Wortes des Propheten Jesaja: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn“ (Jes, 1,3). Von den Kirchenvätern Ambrosius und Augustinus werde der Ochse als Sinnbild des auserwählten jüdischen Volkes und der Esel als Sinnbild der heidnischen Völker gedeutet; beide huldigen dem neuen göttlichen Herrscher, beide werden Heil erlangen.
Und wem huldigen wir, alle Jahre wieder, am 28. Januar? Keiner fetten Henne, wohl aber einem fetten Hund, der von den Pubertierenden gern gehänselt wurde, weil er dick war und aus dem fernen, fremdländischen Süden in den Norden gekommen, fremdelte, wenig sprach und „stummer Ochse“ genannt wurde. Während er auf seinem Platz saß, so wird erzählt, und vor sich hin kaute, riefen einige plötzlich: schau, da draußen fliegt ein Esel vorbei. Und er läuft hin, um zu gucken, während die Witzbolde sich kaputtlachen. Aber dann sagt er seelenruhig, es sei ihm wahrscheinlicher vorgekommen, dass ein Esel fliegen könne, als dass ein Hund des Herrn lüge, und alle schauen betreten drein.
Und eines Tages wird dieser „stumme Ochse“, ein berühmter und von seinen Anhängern hochverehrter Professor der Hunde des Herrn, der domini canes, der Dominikaner, genannt: Thomas von Aquin, bei Neapel.
Mit fabelhaften, segensreichen Grüßen zum Neuen Jahr!
P. Thomas

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